Die nachfolgende Auflistung und Aufzählung von literarischen Strömungen und Epochen wurde nicht mit dem Ziel der absoluten Vollständigkeit verfasst. Je nach Epoche und Zeit gab es auch noch weitere, kleinere Literaturströmungen, die aufgrund fehlenden Einflusses nicht in diesen Artikel mit eingingen. Gleichzeitig kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass es zu einer Zeit lediglich eine einzige literarische Richtung gab - die Epochen und Strömungen gehen zum Teil ineinander über und liefen parallel ab. Aus diesem Grund ist auch die Angabe von Jahreszahlen nur als grober Richtwert zu sehen. Unsere Epochenübersicht ist zudem absichtlich so knapp wie möglich gehalten: Sie soll als schnelles, bequemes und trotz des Umfangs übersichtliches Nachschlagwerk dienen.
Durch den Buchdruck (erfunden im Jahr 1455) konnten erstmals literarische Werke in größerer Zahl vervielfältigt werden. Im Mittelpunkt standen dabei klassische Themen, Bücher und Motive. Dieses Gedankengut hatte schließlich auch eine Auswirkung auf Gelehrte und Theologen; so entstanden neue erzieherische und auch theologische Ansätze (z.B. Martin Luther und die Reformation).
"Humanitas": Menschlichkeit - Aufgreifung (altgriechischer) Motive und Ideen, insbesondere in philosophischer Hinsicht. Dabei geht es z.B. um die Verantwortung des Menschen gegenüber der Gesellschaft oder über diese im Allgemeinen.
Übergang vom Mittelalter hin zu absolutistischen Systemen, Reformation und Glaubensspaltung (30-jähriger Krieg), verbunden mit Hunger und Kriegsleiden. In der Lyrik entstehen erste Werke auf Deutsch. Maßgeblich war dabei "Von der teutschen Poeterey" von Martin Opitz, welches gewissermaßen als Anleitung für deutsche Dichter zu verstehen ist, bezogen insbesondere auf die formale und sprachliche Gestaltung.
Vanitas (Vergänglichkeit), momento mori („Bedenke deine Sterblichkeit“), carpe diem („Nutze den Tag“)
Sonett, Allegorien, Personifikationen - gerne wurden auch Antithetiken, also Gegensätze, verwendet. Zum Beispiel: Krieg und Frieden,...
„Von der teutschen Poeterey“ (Martin Opitz)
„Lyrik“ (Andreas Gryphius)
„Der abenteuerliche Simplicissimus teutsch“ (Grimmelshausen)
Zusammenfall alter Glaubensbilder durch Reformation, französische Revolution. Dabei wachsen auch zunehmend Spannungen zwischen Monarchen und Bürgern - letztere finden sich, auch aufgrund des steigenden Wohlstands in breiteren Schichten, nicht mehr mit dem "gottgegebenen" Bild der Adeligen als Herrschern ab.
„Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit“ Forderung / Idee des eigenständigen Denkens der Menschen Selbstverantwortung des Individuums, Forderung von Rationalität, zum Teil (indirekte) Kritik an absolutistischen Herrschern und Systemen Freiheit und Bürgerlichkeit
„Kritik der Vernunft“ (Immanuel Kant)
„Minna von Barnhelm“, „Nathan der Weise“ (Lessing)
Erinnerung auf das Menschliche, lernen aus der Vergangenheit Freundschafts- und Gefühlkult, Fokus auf die Empfindung Frömmigkeit, Naturnähe und „in-sich-gekehrt-sein“
Roman, Ode, Hymne, Epos, Idylle, Briefromane
„Zürichsee“ (Friedrich Gottlieb Klopstock)
„Die Leiden des jungen Werther“ (Goethe)
Betonung von Gefühlen, Emotionen, der Natur als Schöpfungsquelle. Weiterhin Kritik an gesellschaftlicher Bevormundung.
Briefroman, Ballade, Empfindungslyrik, bürgerliches Drama, bürgerlicher Roman
„Kabale und Liebe“ (Friedrich Schiller)
„Prometheus“ (Goethe)
Befreiungskriege Napoleons, französische Revolution
Sittlichkeit, Harmonie, Vernunft und idealisiertes Menschenbild Rückgriff auf antike Kunst und antike Werte
Ode, Ballett, Sonett, Bildungsroman, Charakterdrama Autoren & Werke: „Iphigenie auf Tauris“ (Goethe)
„Faust I“ (Goethe)
Industrialisierung, Nationalstaatsidee, napoleanische Kriege Sorge um schnelleres Leben mit höheren Ansprüchen und deren gesellschaftlich-politisch-kulturellen Folgen
Idealisierung der Natur, Betonung der persönlichen Freiheit, Rückgriff auf Mittelalter als Idealbild, Gefühls- und Traumwelt, Schlagwort „blaue Blume“ Lösung vom Philisterleben (vergleichbar mit „Spießerleben“): Erreichen eines neuen Ziels, Offenheit und Kreativität, Spaß und Lebensfreude, erfahrungsreiches und tiefes Leben. Nutzung von märchenhaften, phantastischen, traumhaften, halluzinationsähnlichen Bildern
Volksgedicht, Lieder, Märchen, fantastische Texte, Fragmentarismus (= kleine, alleinstehende Textausschnitte), Lyrik und Prosa, keine Dramen Nutzung von Synesthesien, Personifikationen und Assonanzen
„Sehnsucht“, „Mondnacht“, Lockung“ (v. Eichendorff)
Wiener Kongress (1815) als Folge der napoleanischen Feldzüge (Hauptthemen / Gründe: Wiedereinführung der Monarchie, Verarmung der Bevölkerung), Hambacher Fest (1832, Studentenrevolte mit Forderung eines Nationalstaats, Auflösung des "Festes" bzw. der Versammlung durch den Staat, Verfolgung von Nationalisten), Paulskirche (1848) mit klein- oder großdeutscher Fragestellung (viele Kleinstaaten oder ein Nationalstaat?), Märzrevolution 1848.
Weberaufstand, Nationalstaatsidee, Realitätsnähe, Aufstände / Demonstrationen, zum Teil „dunkle / finstere“ Texte, einfach geschrieben, volksnah
Georg Büchner, Heinrich Heine
Siehe „junges Deutschland“
Bürgertumskult, Abgrenzung vom Bürgertum zu Politik und Aufständen, Flucht ins idyllisch-klassische
Abgrenzung zu Proletariat (Unterschicht) und Adel, Etablierung von bürgerlichem Selbstbewusstsein
Bevorzugung klassischer Literatur, Konzentration auf eigene Gesellschaftsschicht, Idealisierung des bürgerlichen Lebens, Bemühung um gesellschaftlichen Aufstieg, Auseinandersetzung mit soziologischen Aspekten (Emanzipation d. Frau, Gesellschaftsstrukturen).
„Jenny Treibel“, „Effi Briest“, „Irrungen und Wirrungen“ (Theodor Fontante)
Kritik an Idealismus (Einheit, absolute Form, phantastische Welt) und Naturalismus (extrem genaue Wiederspieglung der Welt, absolute Genauigkeit mit verbundener möglicher Verwirrung des Lesers) Mischung aus Idealismus und Naturalismus, vereinfachte Wiedergabe der Wirklichkeit, später kritisches Hinterfragen der Wirklichkeit
Industrialisierung und ihre Begleiterscheinungen: Verarmung, Verschlechterung der Lebensumstände, Determination / Determinierung ("Festlegung" der Zukunft bedingt durch soziale Herkunft) des Individuums durch Vererbung, Milieu und sozialem Status
Genaue Wiedergabe der Schattenseite des Lebens Radikale realistische Form Kritik an Kunst, die Tendenzen zum Widerspruch gegen die Natur besitzt
Soziolekt, Dialekt, Milieusprache, ausführliche + detaillierte Regieanweisungen, vor allem Dramen, auch Novellen und Romane Autoren & Werke: „Die Ratten“ (Gerhard Hauptmann)
Unter dem Begriff „Literatur der Jahrhundertwende“ wird eine Reihe von literarischen Strömungen zusammengefasst, die ihre Gemeinsamkeit einzig in der Abkehr vom Positivismus finden. Abgesehen vom Expressionismus konnte dabei keine der folgenden Strömungen die Literaturwelt in großer Weise beeinflussen, auch wenn diese zum Teil weiterhin existieren und damals großes Publikum fanden.
Industrialisierung Landflucht und Bevölkerungszuwachs in Städten (Urbanisierung), soziale Ungleichheit zwischen reich und arm, Halleyscher Komet (1910), Weimarer Republik und damit verbundene Inflation, erster Weltkrieg und Vertrag von Versailles, Novemberrevolution
Expressionismus = Ausdruckskunst, möglicher Weltuntergang, Ästhetik des Hässlichen, Großstadtlyrik und Ich-Verlust, Gegenüberstellung des „Ich“ und der Masse, Ablehnung von Logik und Erklärbarkeit
Nutzung von Farbsymbolik, Pathos, Extase und Subjektivität, Metapher, Chiffren, Symbole, Personifikationen, Neologismen und Synästhesien als Stilmittel
Darstellung von subjektiven Wahrnehmungen (nicht einfach eines Objekts, sondern von dessen Wahrnehmungen), betonte Subjektivität und Festhalten kleinster Details der Empfindung und Stimmung bei gleichzeitiger sprachlicher Differenzierung.
Ursprünglich aus der bildenden Kunst entstanden und in der Übertragung auf die Literatur umstritten. Erhöhen (= Anheben der Bedeutung) der Kunst, um diese zum sinngebenden und gestaltenden Faktor des Lebens zu machen.
Absolute Ablehnung antinaturalistischer Ideen; Existenz der Kunst um der Kunst Willen („L’art pour l’art“). Keine belehrenden Tendenzen, die Kunst soll lediglich die Seele und den Geist beleben und diesen erleben lassen.
Darstellung von morbiden, bösen, teuflischen Situationen und Seelenzuständen, resultierend aus dem Bewusstsein, zu einer verfeindeten und zum Niedergang verurteilten Kultur anzugehören. Dabei spielt mehr die Bekenntnis zum Verfall als die Darstellung von Niedergang eine Rolle. Heimatliteratur Gegenströmung zum Symbolismus / Fin de Siecle, Zurückbesinnung auf ursprünglichen Realismus, traditionsbewusst statt nationalistisch.
Erneutes Aufflammen der Romantik, Gegenströmung zum naturalistischen, Zurückbesinnung auf Mythen, Sagen und Geschichten sowie Betonung des geheimnisvoll-magischen.
Abgrenzung zu Naturalismus, Impressionismus & Dekadence: Erneutes Aufflammen der Klassik, Zurückbesinnung auf strenge Literaturformen, Betonung der idealen Idee der Dichtung
Strömung mit rechtsradikalen Werten, Ablehnung aller anderen Strömungen. Zurückbesinnung auf völkisch-nationale Elemente und antidemokratische sowie rassenideologische Texte. Beginn der „Blut und Boden“ Literatur.
Erster Weltkrieg, Abgrenzung zu "Verkünstlichung" der Jahrhundertwende
Nutzung von „realistischen“ Vorgehensweisen auf sachlicher Ebene, Deillusionierung durch Weltkrieg, Gesellschaft und Krisen der Weimarer Republik
Einfach, schlicht, klar und politisch-gesellschaftskritisch orientiert, Darstellung von gesellschaftlichen und individuellen Spannungsfeldern und Konflikten, Figuren sind Alltagspersonen, kritische Selbstreflexion über die Gesellschaft und Zeit, Gesellschaft und "einfacher Mann" als Adressat, einfache Sprache, Gebrauchslyrik, Reportageliteratur, kritisches Volkstheater, Zeitroman / Montageroman
„Sachliche Romanze“ (Erich Kästner)
„Berlin Alexanderplatz“ (Alfred Doblin)
Ähnlich wie in den Literaturströmungen der Jahrhundertwende basieren auch die folgenden Strömungen auf denselben historischen Ereignissen, unterscheiden sich aber aufgrund der jeweiligen persönlichen Situation der Autoren voneinander.
Zweiter Weltkrieg, Verfolgung kritischer und jüdischer Autoren, Kontrolle durch NSDAP
Nationalsozialistisch-ideologisch ausgerichtete Literatur, Aufruf zum Krieg und Ansporn des „Führerkults“.
Endpolitisierte Autoren, die sich aus Angst vor Verfolgung nicht politisch positionieren und wenn überhaupt neutrale Texte ohne politischen Inhalt verfassen.
Autoren, die aus Deutschland ausgewandert sind üben Kritik an den dortigen Zuständen sowie den noch ansässigen, mundtoten Autoren.
Papiermangel nach zweitem Weltkrieg, Verbreitung passender Infrastruktur (Radio bzw. "Volksempfänger")
Thematisierung zeitgenössischer und gesellschaftlicher Fragen, Aufschrecken des Hörers, Texte sollen zur öffentlichen Debatte anregen / diese provozieren
Abgrenzung zur Vertonung und Bearbeitung von anderen Texten, oft in Dramenform verfasst. Hörspiele werden also ausdrücklich zum Zwecke einer späteren Vertonung verfasst und nutzen ggf. auch entsprechende Elemente (z.B. zusätzliche Geräusche, Tonfälle von Sprechern).
Günther Eich
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Zweiter Weltkrieg
Verarbeitung des Faschismus, vor allem durch zurückgekehrte Exilautoren beeinflusst (Brecht u.a.), Widerspiegelung der gesellschaftlichen Realität (Klassenkampf)
Regelungen eines SED-Parteikongresses
Schaffung eines positiven Arbeitsheldes, Literatur zur Produktivitäts- und Produktionssteigerung sowie zum Aufbau der DDR
Anregung von Arbeitern zum Schreiben sowie Dokumentation von Geschehnissen in Betrieben (Dokumentarlieteratur), weiterhin Versuch der Produktivitätssteigerung
Mauerbau, zunehmende Umweltverschmutzung
Systemkritik, umweltpolitische Überlegungen, wissenschaftliche Revolution, Hoffnung auf Funktionalität des Kommunismus, Enttäuschung über Sozialismus, Ministerium für Staatssicherheit (Stasi), Liebe
Liberalisierung der Kunstrichtlinien, dann Ausweisung von Wolf Biermann nach Konzert in Köln
Kritik und Protest, erneute Verschärfung der Regelungen, Ausreise von rund 60 Schriftstellern
Zunehmende Unzufriedenheit mit System
Kritik am System, Atomare Bedrohung durch Westen, Rückzug in die Innerlichkeit
Zweiter Weltkrieg
Verarbeitung der Geschichte sowie der „Trümmerlandschaft“, Ablehnung von Vergessen / Verdrängung des Kriegsgeschehens, Wiedergabe der Wirklichkeit, Ablehnung von NS-Sprache und derer Prägungen, Literaturströmung in der Bevölkerung / Gesellschaft unbeliebt, zum Teil auch Verarbeitung von Kriegserlebnissen und -ereignissen
Einfache und besonders deutliche Sprache um Verwechslungen oder Anspielungen mit NS-Begriffen o.ä. zu vermeiden
Neue Wege der Sprache (1950), Politisierung der Literatur (1960), neue Subjektivität (1970), Postmoderne (1980) - allesamt relativ selbsterklärend.